Bisher wird der elektronische Geschäftsverkehr durch die seit dem Jahr 2000 geltende E-Commerce-Richtlinie geregelt. Zukünftig soll ein neues Gesetz der Europäischen Kommission digitale Dienste regeln, der so genannte "Digital Services Act" (DSA), ein Gesetz über digitale Dienste. Ziel ist die Stärkung der Rechte von Verbraucher*innen und die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Insbesondere die Regulierung von Plattformen mit großer Marktmacht nimmt aufgrund der Relevanz für die Wirtschaft einen großen Stellenwert ein. Sie verspricht einen erleichterten Marktzutritt von KMU und bildet die Grundlage für innovative Entwicklungen.
Die bisherige E-Commerce-Richtline ist die rechtliche Basis für unsere Online-Shopping-Welt, wie wir sie aktuell kennen. Sie regelt den freien Verkehr von Diensten zwischen Ländern mit verschiedenen Rechtsordnungen. Dazu gehören die Verantwortlichkeitsregelung der Provider, die Vorgabe der Kennzeichnungspflichten der Anbieter*innen und Preise sowie Regelungen zur Online-Werbung und zur elektronischen Vertragsgestaltung mit Vorschriften zur außergerichtlichen Streitbeilegung und zur Online-Klage. Durch die verbrauchsfreundlichen Vorgaben wurde Online-Shopping in den letzten Jahrzehnten immer beliebter. Online-Plattformen konnten daher stark wachsen und investieren. Der grenzüberschreitende Handel innerhalb und außerhalb der Europäischen Union wächst nach wie vor kontinuierlich und eröffnet einer Vielzahl europäischer Unternehmen und Händler*innen immer neue Geschäftsmöglichkeiten. Mit fortschreitenden technischen Entwicklungen können Online-Plattformen den Verbraucher*innen erhebliche Vorteile bieten und dadurch ihre Marktmacht stärken. Im weiteren Wachstum wird diese Macht allerdings auch zum Risiko. In großen, undurchsichtigen Märkten mit neuen Prozessen suchen Teilnehmer*innen ihren Vorteil, der zum Nachteil für andere wird. Die Politik beobachtet stets die Händler*innen-Praktiken, um Wettbewerbsfähigkeit, Fairness und gleiche Bedingungen sicherzustellen.
Im Visier kritischer Beobachtungen steht beispielsweise die Datennutzung bekannter Plattform-Giganten. Größter Vertreter dieser, nach deutschen Recht unlauteren Praxis, ist Amazon. Früher als reine Händler*innen-Plattform bekannt, hat sich Amazon inzwischen selbst zu einem Direkthändler entwickelt und bietet Eigenmarken wie „Amazonbasics“ an. Das Problematische daran: Amazon stehen Unmengen an Markt-, Nutzungs- und Kund*innen-Daten der eigenen Händler*innen zur Verfügung. Dieser einseitige Wissensvorsprung wird als unfair betrachtet und birgt die Gefahr, dass Innovationen kopiert und damit die Motivation zu innovativen Produkten seitens der Hersteller*innen ausgebremst wird. Amazon macht damit seinen eigenen Händlern Konkurrenz.
Ein anderes Risiko von Online-Plattformen, dazu gehören auch Social-Media-Anbieter*innen, stellt der Handel mit illegalen Waren, Aktivitäten und Inhalten dar. Hier werden immer wieder illegale Transaktionen identifiziert, die mit nach außen hin unauffälligen Profilen und bestimmten Symbolen, Zeichen oder Codewörtern anonym durchgeführt werden und so den Handel von Drogen und Waffen massenhaft ermöglichen.
Der Europäische Binnenmarkt erfordert daher einen modernen Rechtsrahmen, um die Sicherheit der Online-Nutzer*innen zu gewährleisten und das Wachstum innovativer digitaler Unternehmen zu ermöglichen. Die Grundprinzipien des derzeitigen Rechtsrahmens der E-Commerce-Richtlinie bleiben bestehen. Der konkrete Inhalt des neuen DSA ist bisher noch nicht veröffentlicht. Der Tagesspiegel berichtet in seinem Newsletter über Gespräche mit Pressevertreter*innen, aus denen erste Inhalte bekannt wurden (Quelle):
#1 Illegale Aktivitäten sollen in einer Blacklist erfasst werden, die mit „stufenweisen“ Sanktionen belegt würden. Als Konsequenz könnte die Ausgliederung von bestimmten Diensten eines Konzerns gefordert werden.
#2 Eine weitere Maßnahme für das zuvor genannte Beispiel von Amazon könnte die Forderung sein, mehr Daten von Marktplätzen mit den auf der Plattform aktiven Händler*innen zu teilen.
#3 Verbote werden für folgende Praktiken erhoben:
- das bevorzugte Anzeigen oder Darstellen der eigenen Produkte oder Angebote auf Plattformen,
- die Vorinstallation von Apps auf Geräten,
- das sogenannte „Anti-Steering“. Dabei werden geschäftliche Nutzer*innen von Plattformen daran gehindert, die Verbraucher*innen zu anderen Angeboten zu „lenken“, als die, die von Plattformen angeboten werden, die möglicherweise billiger oder anderweitig potenziell attraktive Alternativen sind.
- Ebenso soll die „Kopplung und Bündelung“ verboten werden, bei der Plattformen die Nutzer*innen drängen oder zwingen, ihren Hauptdienst mit weiteren Angeboten zu kombinieren.
#4 Im Gespräch ist weiterhin eine sogenannte „Graylist“. Die darin erfassten Praktiken sollen von den zuständigen Aufsichtsbehörden stärker geahndet werden. Hier wird das Vorhaben genannt, dass Technologieunternehmen ihre eigenen Apps und Dienste nicht zu bevorzugen dürfen. Man erwartet vier Kategorien von Plattformen: (1) Online-Intermediäre, genannt werden insbesondere Marktplätze, App-Stores und soziale Netzwerke, (2) Suchmaschinen, (3) Betriebssysteme und (4) Cloud-Dienste.
Der schmale Grat zwischen Schutz der Meinungsfreiheit und Schutz vor illegalen Aktivitäten
Laut Tagesspiegel erwartet man weiterhin eine Reform von Haftungsregeln für Plattformen im Rahmen einer Neuauflage der sogenannten E-Commerce-Richtlinie. Hierbei geht es um die Klärung der viel diskutierten Frage, wer für die Inhalte auf Plattformen verantwortlich ist. Bisher haben sich dazu nur länderindividuelle Lösungen gefunden. Das soll nun vereinheitlicht werden. Begleitend zu diesem Vorhaben gibt es bereits erste Proteste der Grünen in Form einer Kampagne, um die Meinungsfreiheit zu schützen. Die Notwendigkeit, illegale Inhalte, Handelsaktivitäten und Gruppierungen zu stoppen erfordert allerdings das Eingreifen auf die Inhalte der Plattformen. Über die Ausgestaltung des „Wie“ wird derzeit diskutiert.
Der Gesetzentwurf für den DSA wird in den nächsten Wochen von der der Europäischen Kommission erwartet.
Im nächsten Teil dieser Beitragsserie zum DSA stellen wir die Umfrageergebnisse von Thüringer Unternehmen vor. Sie teilten uns konstruktive Wünsche und Hinweise zum neuen Digital Services Act mit. Denn: Die Auswirkungen der neuen Gesetzgebung betreffen jedes Unternehmen und könnten Geschäftsmodelle gefährden.
Lesen Sie hier in Kürze:
Teil 2 von 3: Welche Relevanz hat der Digital Services Act für Thüringer Unternehmen?