Auch weiterhin stehen das Ereignis, die Veranstaltung oder die Ausstellung im Mittelpunkt der Thüringer Kultur. Doch erst durch die Verschiebung in den digitalen Bereich bleiben kulturelle Angebote angesichts der sich rasant verändernden Gesellschaft attraktiv und erreichen ein breiteres Publikum als zuvor. In den letzten Jahren setzten sich bereits große Thüringer Forschungseinrichtungen wie beispielsweise die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek (ThULB), die Friedrich-Schiller-Universität oder die Bauhaus-Universität gemeinsam mit kommunalen Kultureinrichtungen in Projekten und Prozessen intensiv mit zukunftsweisenden Technologien und digitalen Möglichkeiten im Kultursektor auseinander. Und auch die Corona-Pandemie setzte viel kreatives sowie innovatives Digital-Potential in der kulturschaffenden Branche frei. So sind in den vergangenen zehn Jahren eine Vielzahl an neuen Ansätzen, Schnittstellen, Plattformen und Formaten entstanden.
Ein neuer sicherer Hafen: Kulthura – das digitale Thüringer Kulturerbe
Ein Beispiel ist das Kultur- und Wissensportal Kulthura, das in einem Zusammenschluss von Universitäten, Museen, Bibliotheken und Archiven das Thüringer Kulturerbe digital sichtbar und zugänglich macht. Als institutionsübergreifende Wissens- und Präsentationsplattform der digitalisierten Kunst-, Kultur- und Wissensobjekte Thüringens birgt Kulthura die Kulturschätze des Landes in Form von über einer Million Datensätze und Digitalisate in 2D und 3D von mehr als 100 Thüringer Einrichtungen.
Wind- und wetterfest werden: Herausforderungen des digitalen Wandels in der Kultur
Die digitale Transformation reicht noch tiefer in alle Werk- und Wirkbereiche der Kultureinrichtungen und verschiebt letztendlich auch die klassischen Formen von Organisationskultur sowie Arbeits- und Produktionsprozessen in den digitalen Raum. Die Herausforderungen vor denen jede einzelne Thüringer Kultureinrichtung steht, sind somit: die Bedürfnisse und Erwartungen der Rezipienten zu kennen, die infrastrukturellen und institutionelle Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Umsetzung digitaler Kulturerlebnisse zu schaffen sowie in offenen, kooperativen Austauschformaten die Digitalkompetenzen der Kulturschaffenden zu fördern. Dies erfordert eine völlig neue Denkweise bzw. Affinität der Kulturakteur*innen. Ein Digitalbewusstsein, welches die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich auf die Möglichkeiten, Chancen, Anforderungen und Zwänge des digitalen Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft einzulassen, ermöglicht.
Woher der Wind weht: Demografischer Wandel befeuert Fachkräftemangel
Doch in diesem Zusammenhang steht dem Freistaat Thüringen sowie allen Kultureinrichtungen des Landes noch ein weiterer Megatrend entgegen, der den Prozess zur schnellen Bewältigung der genannten Herausforderungen erschwert und den es zu überwinden gilt. Denn mit Blick auf den ländlichen Raum Thüringens kämpfen viele Regionen mit einem hohen Abwanderungsgrad und niedrigen Geburtenraten, die zu einer Überalterung in der Stadt und auf dem Land führen. Daraus resultierend ist eine wesentliche Folge der demografischen Entwicklungen in Thüringen ein erheblicher Fachkräftemangel. Konstatiert mit einigen Zahlen lässt sich festhalten, dass in Thüringen in den nächsten zehn Jahren 221.000 Beschäftigte in Rente gehen. Mit Blick auf die Beschäftigungszahl von ca. einer Million, sind das etwa 22 Prozent der Arbeitsplätze in Thüringen, die durch Arbeits- bzw. Fachkräfte nachbesetzt werden müssen. Die Abwanderung der Bevölkerung steht diesem allerdings entgegen.
Die Segel in den Wind setzen: Mit digitalem Wandel gegen den demografischen Wandel?
Der Lichtblick hierzu: der digitale Wandel, der als ein erfolgsversprechender Baustein für die Überwindung dieser demografischen Herausforderungen dienen kann. Eine Voraussetzung ist unter anderem eine zukunftsweisende und flächendeckende digitale Infrastruktur im Land sowohl mit Blick auf die Breitband- und Mobilfunknetze als auch innerhalb der Kultur- und Verwaltungseinrichtungen mit Blick auf die technische Ausstattung. Nur so können digitale Angebote und Ansätze, sei es beispielsweise für digitaloptimierte Arbeitsprozesse, digitales Arbeiten, digitale Geschäftsmodelle oder aber auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, gewährleistet und umgesetzt werden. Die dadurch gewonnene Attraktivitätssteigerung der einzelnen Regionen bietet Potential in der Sichtbarkeit für und der Rückgewinnung bzw. Sicherung von Arbeitskräften. Ein weiteres Ergebnis des Ausbaus der digitalen Infrastruktur könnte sein, dass durch optimierte, digitalisierte Organisations- und Prozessstrukturen eine Reduktion des organisatorischen Ballasts innerhalb der Einrichtungen entsteht, welche den akuten Personalmangel abmildert und den Fokus auf Kernkompetenzen sowie weitere Kompetenzentwicklungen ermöglicht.
Ein Blick in die Zukunft aus dem Auge des Sturms:
"Wer innovativ sein will, muss vergessen lernen. Innovationen kommen nicht in die Welt, weil sie jemand braucht, sondern weil sie getrieben werden von Menschen, die überzeugt davon sind, dass dies die Welt besser machen wird."
Sven Gábor Jánszky (Zukunftsforscher)
Für die Kultureinrichtungen und insbesondere die dort wirkenden Akteur*innen heißt dies, alte Muster zu hinterfragen, auch erfolgreiche, aber ausgetretene Pfade zu verlassen und offen zu sein für Neues. Sichtbarkeit sorgt für wirtschaftlichen Erfolg und das erfolgreiche Werben um Fachkräfte. Digitalisierung kann dabei maßgeblich unterstützen und so den Boden für die Zukunft bereiten.