Matthias Steitz (Sachbearbeiter Stabsstelle Digitalisierung) aus der Landespolizeidirektion im Interview:
Wie kam es zu der Einführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs?
Viele Bürger*innen führen mittlerweile kein oder nur wenig Bargeld bei sich. Die Möglichkeit des bargeldlosen Bezahlens beim Einkaufen oder im Restaurant ist mittlerweile selbstverständlich. Die Thüringer Polizei hielt es deshalb nicht nur für lange überfällig, den Prozess zu digitalisieren, sondern wollte eine ganzheitliche, zeitgemäße Unterstützungsmöglichkeit für diese Form des Verwaltungshandelns.
Die Umsetzung des Digitalisierungsvorhabens folgte der Grundidee, aus der Nutzen- und Nutzungsperspektive heraus zu digitalisieren. Damit Digitalisierung nicht zum Selbstzweck wird, ist es wichtig, Mitarbeitende einzubeziehen und mitzunehmen. Aus diesem Grund haben wir viel Zeit in Planung und Abstimmung gesteckt und uns intensiv mit dem tatsächlich für die Organisation und Mitarbeitenden sinnvoll sowie digital abzubildenden Umfang beschäftigt.
Die Thüringer Polizei hat sich dafür entschieden, keine Teillösungen einzuführen. Wir hatten den Anspruch uns alle Prozesse, welche im Sachzusammenhang in Frage kommen, vorzunehmen. Dazu haben wir unsere Prozesse trennscharf ermittelt. Zudem haben wir umfangreiche Recherchen in anderen Bundesländern durchgeführt und zum Schluss eine eigene, auf die Thüringer Polizei abgestimmte Lösung entwickelt. Im bundesweiten Vergleich sind wir die Ersten, die den kompletten Prozess des bargeldlosen Zahlungsverkehrs aber auch die unabwendbaren Barannahmen digital abdecken.
Die Thüringer Polizei hat in nur neun Monaten den flächendeckenden Rollout geschafft. Wie konnte dies in so kurzer Zeit umgesetzt werden?
Die kurze Dauer für den Rollout basiert auf einer guten Vorbereitung. Wir haben im Vorfeld der Ausschreibung für den Dienstleister intensive Gespräche mit dem Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und dem Finanzministerium geführt. Aber nicht nur auf oberster Behördenebene war die Kommunikation sehr umfangreich. Auch die direkte und sehr frühzeitige Einbeziehung von Nutzer*innen sind von elementarer Bedeutung gewesen. Nach Zuschlagserteilung im letzten Jahr, haben wir unverzüglich die Testphase in enger Absprache mit dem Dienstleister durchgeführt. So konnten wir im Januar dieses Jahres mit dem Rollout beginnen. Die Landespolizeiinspektion Jena, die Autobahnpolizeiinspektion sowie die Bereitschaftspolizei waren unsere ersten Piloten, sodass wir im dritten Quartal den Prozess in allen sechs weiteren Landespolizeiinspektionen Thüringens implementieren konnten. Damit wurden über 3.000 Verwarngeldblöcke abgeschafft, die in Eigenarbeit hergestellt, verteilt und personengenau nachgewiesen werden mussten.
Mussten Sie viele Kolleg*innen von der Sinnhaftigkeit überzeugen?
Im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Geschäftsprozessen und Abläufen legt die Thüringer Polizei sehr viel Wert darauf, diese so nutzungsfreundlich, effektiv und effizient wie möglich auszugestalten. Dem folgend legen wir sehr viel Wert auf die Einbindung aller Kolleg*innen. Die Thüringer Polizei hat ca. 6.000 Bedienstete, was eine Einzelabfrage aller Kolleg*innen nicht realistisch macht. Aus diesem Grund haben wir Formate etabliert, die es uns ermöglichen frühzeitig ein Stimmungsbild der Nutzer*innen einzuholen und gezielt auf dieses eingehen zu können. Im Falle des bargeldlosen Zahlungsverkehrs konnten wir die Bediensteten tatsächlich entlasten, was sich in einer hohen Akzeptanz der „neuen“ Abläufe widerspiegelt.
Wie wurden die Kolleg*innen, die im Einsatz sind, darauf vorbereitet?
Wir haben vier bis sechs Wochen vor der Einführung Multiplikatorenschulungen durchgeführt. Es wurden ausgewählte Vertreter*innen der Dienststellen mit dem Umgang vertraut gemacht und auch, wenn die Geräte zuverlässig arbeiten, verschiedene Fehlerszenarien dargestellt. Darauf aufbauend haben die unterwiesenen Kolleg*innen die Bediensteten der jeweiligen Dienststellen ausgebildet.
Wie würden Sie die Akzeptanz in der Gesellschaft einschätzen?
Die Kolleg*innen haben sehr gute Erfahrungen gemacht und überwiegend positives Feedback erhalten. Vor der Einführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs hatten wir beispielsweise 120.000 Sachverhalte im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten, wovon 70.000 mit Bargeld beglichen worden sind. Die restlichen 50.000 Sachverhalte, bei denen die Betroffenen kein Bargeld zur Hand hatten, mündeten in eine schriftliche Nachbereitung, dem Verfassen und Versand von Zahlungsaufforderungen sowie der Notwendigkeit der Betroffenen zum Abschluss der Maßnahme selbst nochmal aktiv werden zu müssen. Mit der Einführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ist ein wichtiger Schritt zum Abbau bürokratischer Hürden getan, von der beide Seiten profitieren.
Werden weitere Prozesse digitalisiert?
Digitalisierung ist eine Daueraufgabe. Mit der Einführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs wurde deutlich, dass weitere Themenfelder im Prozess betrachtet werden müssen. Beispielsweise die Notwendigkeit zur Aufbewahrung der Handelsbelege in den Dienststellen. Nach aktuellem Stand sind dies immerhin bis zu 120.000 Stück jährlich. Darüber hinaus versuchen wir, Barcodes nutzbar zu machen, die dann bei der Datenübernahme eine große Unterstützung sein können.
Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung: Die Landespolizeidirektion hat in diesem Jahr den Arbeitsprozess der Bearbeitung von Papierrechnungen auf ein digitales Verfahren umgestellt. Dies betrifft rund 60.000 Sachverhalte im Jahr, die postalisch von allen Dienststellen zur Landespolizeidirektion geschickt werden mussten. Bei zehn Jahren Aufbewahrungsfrist hat die Landespolizeidirektion in gut neun Jahren hier keine Papierablage mehr.